Kiefergelenk/Schienentherapie

Eine der guten Nachrichten: Sie sind nicht alleine mit diesem Problem auf der Welt.
Geräusche wie Knacken oder Reiben, vielleicht sogar Knirschen oder Ähnliches, sind weiter verbreitet, als
man annehmen mag.


Eine weitere gute Nachricht ist die, dass diese Geräusche in den meisten Fällen kein Grund zur Besorgnis
sind, oft ist eine Behandlung überhaupt nicht erforderlich.


Schlechte Nachrichten haben wir für Sie diesbezüglich keine, allerdings sollten wir schon genau feststellen,
ob eine Behandlung unter Umständen doch notwendig ist. Um Sie aber gezielt untersuchen zu können,
wollen wir Sie vorab informieren.

 

Das Kiefergelenk

Jeder gesunde Mensch verfügt über zwei Kiefergelenke. Wegen der vielfältigen Bewegungen, die Sie mit
diesen Kiefergelenken – oder besser gesagt mit dem in diesen Gelenken „aufgehängten“ Unterkiefer –
durchführen können, bezeichnen wir Zahnmediziner es als das komplizierteste Gelenk des Körpers
überhaupt. Sie alle wissen, wo die Kiefergelenke liegen – wenige Millimeter seitlich unterhalb der
Gehörgänge der Ohren. Bei sämtlichen Bewegungen des Unterkiefers, sei es beim Essen, beim Sprechen
beim Gähnen und so weiter, ist es tätig.

 

Bild 1: Das „Fundament“, die knöcherne Basis des Kiefergelenks, besteht aus dem Kiefergelenksköpfchen am Unter- und der Kiefergelenkspfanne am Oberkiefer.

 

Weil das Gelenk sehr nahe am Ohr liegt, werden Geräusche, welche im Kiefergelenk entstehen, von Ihnen als sehr laut empfunden.

 

 

Bild 2: Wenn Sie den Unterkiefer bewegen wollen, so können Sie dies nur, wenn Sie Muskeln anspannen oder entspannen. Die bedeutsamsten Muskeln – Sie können sie bei den entsprechenden Mundöffnungs- und Schließbewegungen selbst gut tasten – sind der Schläfenmuskel und der große Kaumuskel.

 

 

Bei Öffnungs- und Schließbewegungen dreht sich das Gelenk um eine gedachte Achse. (Bilder 3a–3d)

Bild 3a und 3b (geschlossen)

 

Bild 3c und 3d (geöffnet)

 

Bild 4: Bei seinen Bewegungen „gleitet“ das Gelenk auf einer Scheibe aus Knorpel. Viele Menschen können mit ihren Fingern, etwa indem Sie daran ziehen, knacken. Das, was da noch bewusst hervorgerufen werden kann, geschieht bei anderen Gelenken, seien es die Kniegelenke oder eben auch das Kiefergelenk, von alleine, unbewusst und ungewollt.

Knacken oder Reiben?

Eine wichtige Unterscheidung bei Kiefergelenkgeräuschen machen wir, indem wir sie unterteilen in:

  • Knacken und
  • Reiben.

Diese Unterscheidung ist deswegen wichtig, weil sie – sie haben unterschiedliche Ursachen – auch
unterschiedliche Behandlungsmaßnahmen erfordern.

 

Kiefergelenkknacken

Wir haben Sie Ihnen bereits vorgestellt: die Gelenkzwischenscheibe. Eine von der Norm abweichende Lage dieser Knorpelscheibe und/oder des Kiefergelenkköpfchens ist in den meisten Fällen die Ursache für das Knacken.

 

Wenn der Mund geschlossen ist, dann liegt in diesen Fällen die Scheibe nicht genau in der Mitte zwischen Köpfchen und Gelenkpfanne, sondern (zumeist nach vorne) verschoben. Wenn Sie dann den Mund öffnen, „springen“ sowohl die Scheibe als auch das Köpfchen wieder in die „richtige“ Lage. Dieses Springen verursacht das Knackgeräusch.

 

Bild 5a Bild 5b Bild 5c
Bei einer Störung der Kiefergelenkfunktionen rutscht die Zwischenscheibe vor das Gelenkköpfchen.
Wenn nun der Mund weit geöffnet wird, „springt“ das Gelenkköpfchen unter die Scheibe (Bild 5a).
Schließen Sie den Mund, dann tritt der ursprüngliche Zustand wieder ein (Bild 5b) und bei der nächsten
Mundöffnung knackt es erneut (Bild 5c).

 

Kiefergelenkreiben

Reibegeräusche bestehen im Gegensatz zu den Knackgeräuschen bei der gesamten Mundöffnung. Sie haben ihre Ursache zumeist in einer Veränderung der ursprünglich glatten Oberfläche der knorpeligen Zwischenscheibe. Durch verschiedene Erkrankungen (z. B. Rheuma!) kann sie aufgeraut und sogar ganz zerstört werden. Das Gelenkköpfchen kann dann nicht mehr auf ihr gleiten. Das verursacht das reibende Geräusch. Jetzt liegt eine Arthrose des Kiefergelenks vor.

 

Behandlung

Knacken:

Auch wenn ein Kiefergelenkknacken, das manchmal so laut werden kann, dass sich Menschen in Ihrer Gesellschaft erstaunt nach Ihnen umdrehen, bedrohlich erscheint, so ist es doch weit verbreitet (beinahe jeder Dritte bemerkt es bei sich zeitweilig oder sogar ständig) und ungefährlich. Sie benötigen, falls keine Schmerzen auftreten, keine Behandlung. Anders sieht es aus, wenn Schmerzen zu dem Geräusch hinzukommen. Dann werden wir als Zahnärzte, eventuell in Zusammenarbeit mit einem speziell ausgebildeten Physiotherapeuten, untersuchen, was die Ursachen für die Schmerzen sind. Wir werden sehr schnell Maßnahmen zur Schmerz-bekämpfung (Medikamente, Physio-/Manualtherapie, Aufbissschiene, Wärme-/Kältebehandlungen, Massagen etc.) treffen. Nachdem die akuten Schmerzen beseitigt sind, kann
versucht werden, mit weiteren Anwendungen, „Einrenken“ der Gelenkeinheit und Änderungen an der Schiene die Stärke des Knackens zu verringern und dauerhafte Schmerzfreiheit zu erzielen.

 

Bild 6a und 6b: Zahnärzte und Physiotherapeuten untersuchen die Patienten, um die Ursachen für Knackgeräusche herausfinden zu können.

 

Eine von Ihrem Zahnarzt und seinem Labor hergestellte, aus glasklarem Kunststoff bestehende und überhaupt nicht lästige spezielle Aufbissschiene (Bild 7), erzielt ein Gleichgewicht zwischen der gestörten Scheibe und dem Kiefergelenkköpfchen und stellt so das „Problemgelenk“ ruhig, damit die körperlichen Selbstheilungskräfte wirken können.

 

Reiben

Leider haben, und das ist das Gefährliche daran, die wenigsten Menschen mit Reibegeräuschen, Schmerzen. Wenn aber Schmerzen auftreten, dann werden diese mit Medikamenten und den bereits erwähnten Maßnahmen zuallererst beseitigt. Ihr Zahnarzt wird bei Kiefergelenkgeräuschen eine ausführliche Erhebung Ihrer Krankengeschichte vornehmen. Daraus kann er auch erkennen, ob die Ursache für die Reibegeräusche eventuell in einer Grunderkrankung Ihres Körpers, wie z. B. Rheuma, Polyarthritis etc., liegt. Gegebenenfalls wird er Sie auch zur Untersuchung bei einem Facharzt überweisen. Liegt eine solche eventuell bis dahin noch unbekannte Grunderkrankung vor, so wird diese neben den Maßnahmen zur Schmerzlinderung im Kiefergelenkbereich natürlich unmittelbar zu behandeln sein. Wenn keine körperliche Ursache für die Reibgeräusche gefunden wurde, dann sind häufig gar keine weiteren Behandlungen (falls keine Schmerzen vorliegen) erforderlich. Falls Schmerzen bestehen, werden physiotherapeutische Maßnahmen mit einer Aufbissschienenbehandlung kombiniert. Damit wird das erkrankte Gelenk entlastet, und es wird einer weiteren Zerstörung durch Abnutzung vorgebeugt.

 

Bild 8: Eine Aufbissschiene für den Unter- (manchmal aber auch Ober-)Kiefer (Bild 8) wird von Ihrem Zahnarzt nach einer Abformung Ihrer Kiefer maßgefertigt und genauestens eingeschliffen, um sie exakt anzupassen. Wenn Sie eine solche Schiene tragen, dann werden die Kiefergelenke ent-lastet. Gleichzeitig wird die Verspannung der das Kiefergelenk umgebenden Muskulatur gelöst.

 

Physiotherapeutische Maßnahmen unterstützen die Schienenbehandlung und setzen die Belastung der Kiefergelenke weiter herab. Bestimmte Medikamente werden von Ihrem behandelnden Zahnarzt manchmal eingesetzt, um Entzündungen in der Kiefergelenkmuskulatur zu behandeln. Manchmal erhalten Sie auch Medikamente, die Ihren Stress vermindern sollen. Risiken und Nebenwirkungen dieser Medikamente erläutert Ihnen Ihr (Zahn-)Arzt und / oder Apotheker.

 

Was haben Sie bei Kiefergelenkknacken dauerhaft zu erwarten?

Kiefergelenkknacken hat eine gute „Prognose“. Mit diesem Wort bezeichnen wir die Tatsache, dass eine wesentliche Verschlimmerung, ohne Chance auf jegliche Besserung aller Voraussicht nach, nicht eintreten wird. Nur sehr selten müssen wir es behandeln. Kontrollen sollten jedoch in regelmäßigen Abständen – wir werden Ihnen sagen, in welchen Zeiträumen – durchgeführt werden. Wenn allerdings doch einmal Behandlungsmaßnahmen erforderlich sind, so werden wir diese langsam aufbauen und niemals Sofortmaßnahmen, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können, einsetzen.

 

In leichten Fällen hilft es bereits, wenn Sie die von uns empfohlenen Übungen anwenden. (Übungsanleitungen, z. B. die „Schulte-Übung“ können Sie von Ihrem Zahnarzt erhalten.) Durch einfache Übungen, die wir für Sie aufgeschrieben haben, kann häufig schnell eine Besserung Ihrer Beschwerden erreicht werden.

Nur in extrem seltenen Fällen, dann, wenn alle bisherigen Behandlungsversuche keinen Erfolg gezeigt haben, ziehen wir als letzte Möglichkeit einen chirurgischen Eingriff, eine Operation am Kiefergelenk, in Erwägung. Die moderne Kiefergelenkchirurgie bietet heute aber sehr gute Möglichkeiten, Sie von Ihren Beschwerden zu befreien.


Was haben Sie bei Kiefergelenkreiben dauerhaft zu erwarten?

Auch die Kiefergelenkarthose, in deren Folge die Reibgeräusche auftreten, kann häufig sehr viele Jahre ohne Beschwerden, Schmerzen oder eine Verschlimmerung bestehen. Wir behandeln diese genauso wie das Kiefergelenkknacken und beobachten Sie ebenso regelmäßig.